Was sind Zwickmühlen?

Eine Zwickmühle ist kurz gesagt ein Erlebens- oder Verhaltensproblem, bei dem eine Person alle verfügbaren Lösungsideen als unannehmbar erlebt. Stelle dir vor, du hast nur zwei Möglichkeiten zur Verfügung und beide führen zu unerwünschten Ergebnissen.

Ein Klassiker: Jemand ist mit seinem Angestelltenjob nicht mehr zufrieden, muss aber Geld für die eigene Existenz oder auch die seiner Familie verdienen. Kündigt er und macht sich z. B. selbstständig, kann er vielleicht schon bald den Lebensunterhalt nicht mehr sichern. Also macht er so weiter, behält den Job und arbeitet dort weiter, wo es schon lange keinen Spaß mehr macht …

Solche Zwickmühlen können in jedem Lebensbereich auftreten. In der Regel geht es um Situationen und Bedürfnisse, die uns emotional so packen, dass wir uns nicht einfach so von ihnen lösen können.

Wir erleben Zwickmühlen als inneren Konflikt innerhalb einer Problemschleife, die unsere Verhaltensmöglichkeiten einschränkt und uns buchstäblich immer wieder vor die Wand laufen lässt. Innerhalb dieser Schleife sind Lösungsversuche unbrauchbar. Doch wie kommen wir aus der Schleife heraus?

Andere Begriffe für Zwickmühle: Dilemma, Doppel-Bindung, innerer Konflikt oder auch konfligierende Glaubenssätze.

Die Konflikte werden besonders dann als problematisch erlebt, wenn die gegensätzlichen Glaubenssätze die Identitätsebene berühren und eine Selbstabwertung erzeugen in der Art von:

  • „Ich Depp bekomme das einfach nicht auf die Reihe.“
  • „Ich bin total unfähig, ein Loser.“

Wie entstehen Zwickmühlen?

Wenn das Verharren in der Problemschleife und die Selbstabwertung durchaus als unerwünschte Aus- und Nebenwirkungen der Zwickmühle im Alltag wahrgenommen werden, welche zugrundeliegenden persönlichen Muster und Prägungen halten dann dieses Spiel am Laufen?

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis

Uns Menschen ist „unsere Programmierung“ weitgehend nicht bewusst. Die moderne Hirnforschung zeigt, dass ältere Hirnstrukturen, die unterhalb der Bewusstseinsschwelle arbeiten, maßgeblich unsere Handlungen beeinflussen.

Das sind auch die Bereiche des Gehirns, die mit Verknüpfungen von Erfahrungen, Emotionen und Lernen zu tun haben.

Der Hirnforscher Gerhard Roth nennt diese zum limbischen System gehörenden Bereiche „das emotionale Erfahrungsgedächtnis“. Ja, er betont sogar, dass unser emotionales Erfahrungsgedächtnis unser Handeln stärker als unser bewusstes Ich lenkt, denn es speichert alle bedeutsamen positiven und negativen Folgen unseres Handelns. [mehr erfahren im Blog-Beitrag über Motto-Ziele]

Emotionen und Gefühle wirken immer, bei jeder Entscheidung und jedem Verhalten. Das ist die Grundlage unseres alltäglichen Handelns und auch ein möglicher Nährboden für Zwickmühlen-Muster.

Der Bezugsrahmen

Mal angenommen, wir wären tagsüber selbst-analytisch in der Lage, unsere „Eigensprachlichkeit“, also unsere ganz persönliche sprachliche Ausdrucksweise beobachten und entschlüsseln zu können, dann wüssten wir, wie wir „ticken“.

Dann kämen wir dem System unserer Leitideen, Werte, Überzeugungen und Glaubenssätze auf die Spur. Damit ist der Bezugsrahmen eines Menschen gemeint, der bestimmt, wie er an seine Rolle in den verschiedenen Lebensbereichen, an seine Arbeit und an seine Probleme herangeht.

Im Bezugsrahmen eines Menschen fließen Selbstbild und Weltbild zusammen.

Mal eben danach fragen, ruft wohl eher Schulterzucken hervor. Du kannst ja mal den Test machen und selbst prüfen, was du auf die Frage „Hallo, mit welchen Inhalten ist denn dein Bezugsrahmen konkret gefüllt und wie wirkt sich das in deinem Alltag aus?“ antworten würdest.

Falls du darüber erst einmal länger nachsinnen müsstest, ist das allzu verständlich. Denn der Bezugsrahmen ist in der Regel kein Ergebnis einer bewussten Entscheidung, sondern er speist sich aus den „dunklen“, vorwiegend unbewussten Quellen unserer Erlebnisse und Erfahrungen, die bis in die Zeit als Kind zurückreichen.

Vielleicht kennst du auch diese Empfehlung: „Schau nach vorne und lass die Vergangenheit ruhen!“ Die Absicht mag edel sein, ist jedoch nicht so einfach umzusetzen und auch nicht unbedingt immer hilfreich.

Der Bezugsrahmen ist die Brille, durch die der Mensch auf die Welt schaut. Als Filter wirken dabei die eigenen Vorlieben, die Vorstellungen und die selbst gebildeten Meinungen sowie die bewussten und vor allem unbewussten Glaubenssätze, die man sich im Laufe des Lebens angeeignet oder von Vorbildern übernommen hat.

Wir brauchen diese Filter, um mit der Komplexität der Außenwelt klarzukommen und im Innern die Ausrichtung für unseren Lebensweg vorzunehmen. Doch gerade die unbewussten Glaubenssätze spielen bei der „Konstruktion“ von Zwickmühlen häufig eine (ge)wichtige Rolle.

Die Glaubenssätze

Nach O’Connor und Seymour sind Glaubenssätze sowas wie die Leitprinzipien unserer inneren Landkarten, die wir benutzen, um der Welt Sinn zu verleihen. Robert Dilts definiert Glaubenssätze als Überzeugungen über uns selbst und darüber, was in der Welt um uns herum möglich ist.

Glaubenssätze sind Verallgemeinerungen über die „Beziehungen zwischen Erfahrungen“, also eine Art „Blaupause oder Muster“ für Problemlösungen und die Gestaltung von Beziehungen.

Unerwünschte Auswirkungen entstehen, wenn das ursprünglich hilfreiche Muster nicht mehr in die heutige Zeit der gereiften Persönlichkeit passt und zunehmend hinderlich ist und sich dennoch hartnäckig hält.

Unbewusste Glaubenssätze haben ihren Ursprung sehr häufig in Mustern aus der Kindheit. Sie sind zutiefst verinnerlicht und wirken sehr zuverlässig. Eine Konfrontation mit den eigenen Glaubenssätzen erzeugt in der Regel eine Abwehrhaltung, wie aus Selbstschutz, damit das Selbstbild nicht ins Wanken gerät.

Solche alten Prägungen wirken unbewusst über Jahrzehnte. Sie sind das Produkt intensiver Lernerfahrungen, in denen das emotionale Erleben an bestimmte Handlungen gebunden wurde.

Aus Sicht des Erwachsenen-Ich wird wiederholt versucht, die kindlichen emotionalen Bedürfnisse mit neuen Inhalten bzw. Handlungen zu erfüllen, ohne zu erkennen, dass der Bezugsrahmen eine befriedigende Lösung nicht zulässt.

Zwickmühlen-Zusammenhänge

Nach den bisherigen Ausführungen können wir sagen:

Eine Zwickmühle repräsentiert ein Muster im Bezugsrahmen einer Person, welches auf falschen Zusammenhängen fußt.

Die Zwickmühle wird im inneren Erleben oder in sozialen Situationen abgebildet mit dem Anliegen, eine Lösung für das Dilemma zu finden. Dabei werden laufend neue Antworten auf falsch gestellte Fragen gegeben. Allerdings sind die Antworten stets unbefriedigend.

Ja, wenn die falsche Fragestellung und der Bezugsrahmen aufgedeckt und verändert werden, dann lassen sich auch befriedigende Lösungen finden. Das ist schon ganz schön anspruchsvoll, denn die festen Knoten einer tiefen Verstrickung des eigenen Erlebens in einer Problemschleife lassen sich nicht so leicht lösen.

Die Kenntnis der Zwickmühlen-Zusammenhänge ist schon mal ein erster Schritt. Menschen geraten auf unterschiedliche Weise in persönliche Zwickmühlen:

Innenwelt: Selbstgestaltete Zwickmühle, die in der Vorstellung (Innenrealität) konstruiert wird, ohne dass von außen eine Zwickmühle erkennbar ist.

Beispiel: Ich muss das Familienunternehmen fortführen, weil es bestimmt so gewünscht wird, obwohl es mir nie ausdrücklich so mitgeteilt wurde, doch ich weiß, dass es so ist. Dabei habe ich doch eigene Pläne, die jedoch zurückgestellt werden müssen, da mir ja eine andere Rolle zugedacht ist, so meine ich jedenfalls. Deshalb irre ich weiterhin mit halber Kraft zwischen unklaren Positionen hin und her und komme nicht voran.

Außenwelt: Selbstgestaltete Zwickmühle, die in der Außenrealität konstruiert wird.

Beispiel: Ich überfrachte meinen Tag mit viel Arbeit und viel Sport, damit ich leistungsfähig und erfolgreich bin. Selbstoptimierung ist wichtig, doch die Gesundheit leidet, da die Regeneration zu kurz kommt, denn ich darf nicht nachlässig werden und muss mich weiter optimieren, wodurch die Gesundheit noch mehr leidet.

Reaktionen aus der Umwelt: Selbstgestaltete Zwickmühle, die durch Umkehrung der Logik des problematischen Verhaltens entsteht, indem unter Beibehaltung des falschen Bezugsrahmens andere Menschen erfolglos getestet werden, ob sie für andere als die gewohnten Erfahrungen sorgen können.

Beispiel: Wenn ich bescheiden bin, werde ich gemocht. Daher halte ich meine Ansprüche klein, fühle mich aber bedeutungslos. Vertrete ich kämpferisch meine Ansprüche, dann weichen andere Menschen vor mir zurück, also mögen sie mich dann nicht. Daher bleibe ich bescheiden und unsichtbar.

Kindheits-Situation: Erwachsene, die Zwickmühlen-Muster für die Lösung von Problemen und Gestaltung von Beziehungen verfolgen, gerieten als Kind häufig in von von außen konstruierte Zwickmühlen, wobei die damalige Entscheidungssituation für die kindlichen Möglichkeiten nicht zu bewältigen war. Zurück bleiben die damals unbefriedigten Bedürfnisse und das heutige Anliegen, schwierige Situationen als lösbar angeboten zu bekommen.

Beispiel: Kind soll sich bei Trennung der Eltern entscheiden, wen es lieber hat und daher mit diesem Elternteil mitgehen.

Generationen übergreifend: Zwickmühlen-Muster können auch über Generationen hinweg durch die Beobachtung von menschlichen Vorbildern übernommen werden, ohne dass von außen konstruierte Zwickmühlen in der persönlichen Geschichte erkennbar wären.

Meine persönliche Zwickmühle

Warum beschäftigt mich das Thema so sehr?

Seit vielen Jahren fühle ich mich zerrissen zwischen meiner „Selbstständigkeit des Coach-Seins“ und der „Selbstständigkeit des Vermächtnis Familienunternehmen“.

Warum sollte das eine Zwickmühle sein, geht nicht auch das eine mit dem anderen zusammen?

Möglich, doch gefühlt ist da die Sehnsucht etwas Eigenes zu kreieren, einen eigenen Weg zu gehen, eigene Spuren zu hinterlassen und nicht in die Fußstapfen anderer zu treten.

Doch im Alltag fühlt es sich so an, als ob eine Mauer dazwischen stünde, die das Spielfeld der gemeinsamen Möglichkeiten trennt. Jeweils nur 50% des Potenzials, wenn überhaupt, statt volle Kraft der Synergie. Das ist auf Dauer energetisch und wirtschaftlich nicht in Einklang zu bringen.

Meine persönliche Zwickmühle und das zugrundeliegende Thema sind hier nur vage beschrieben. Im dritten Teil gehe ich ausführlicher darauf ein im Rahmen meines „ressourcenorientierten Selbstversuchs“.

Doch soweit, mit Blick auf die obigen Zwickmühlen-Zusammenhänge, ordne ich mein Dilemma im Punkt Innenwelt ein:

Eine selbstgestaltete Zwickmühle, die nur in der Vorstellung konstruiert wird, ohne dass von außen eine Zwickmühle erkennbar ist.

Innerhalb der Familie gab es weder Gespräche darüber noch Entscheidungs-Situationen, die ein solches Zwickmühlen-Muster begründet hätten.

Wie wirken sich Zwickmühlen aus?

Wenn Menschen in Zwickmühlen-Situationen feststecken, die Knoten der Problemschleife einfach nicht lösen können, dann entsteht ein Teufelskreis, der aus vier typischen Phasen besteht:

Abstrampeln: Kämpfen, Durchhalten, auch wenn keine Lösung in Sicht ist.

Aufgeben: Erschöpfung macht sich breit. Versuch, leidvolles Erleben loszulassen.

Verzweiflung: Gefühl, dem Dilemma hilflos ausgeliefert zu sein.

Leugnen: Abwertung des Dilemmas, aber auch gleichzeitig Abwertung des an sich so bedeutsamen zugrundeliegenden Themas.

Durch Abstrampeln und zähes Durchhalten entsteht Erschöpfung und das Bedürfnis nach Erholung. Doch die Zwickmühle besteht weiterhin. Und da Loslassen gleichbedeutend mit Aufgeben ist, ohne etwas erreicht zu haben, wird das Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung immer stärker.

Um da wieder rauszukommen, kann zeitweise Leugnung der Zwickmühle für Entlastung sorgen. Je bedeutsamer aber das zugrundeliegende Thema ist und die Zwickmühle daher wieder ins Bewusstsein dringt, desto stärker wird die alte Verzweiflung erneut spürbar.

Also wird der Kampf wieder aufgenommen. Aus dem Teufelskreis gibt es kein Entrinnen. Oder doch?

Selbstwert und Ressourcen

Ein solcher Teufelskreis macht etwas mit dem Menschen. Das Selbstwertgefühl wird auf eine harte Probe gestellt, bis hin sich gänzlich selbst infrage zu stellen:

„Ich verdiene es nicht“ oder „Ich bin ein Versager“.

Nicht selten wird die Angst vor erneutem Scheitern so groß, dass einer Vermeidungsstrategie Vorschub geleistet wird. Wie gelingt es dann, den Zugriff auf innere Ressourcen wie Zuversicht, Mut und Entschlossenheit wieder zu aktivieren?

Wege aus der Zwickmühle heraus und hineinkommen in ressourcenvolle Zustände sind Themen, die in den nächsten beiden Teilen behandelt werden.

Zusammenfassung

In diesem ersten Teil werden die Grundlagen der Entstehung von Zwickmühlen und deren Auswirkungen näher betrachtet.

Zwickmühlen müssen nicht grundsätzlich in der Außenwelt erkennbar sein, sie können auch rein in der Vorstellung existieren und ihre einschränkende Wirkung zuverlässig erfüllen.

In einer persönlichen Zwickmühle festzustecken bedeutet für einen Menschen, alle aktuell verfügbaren Lösungsideen in einer bestimmten Entscheidungssituation als unannehmbar zu erleben. Dahinter verbergen sich häufig hartnäckige Muster im System der Überzeugungen und Glaubenssätze eines Menschen.

Besonders die unbewussten Glaubenssätze, die ihren Ursprung oftmals in Mustern aus der Kindheit haben, spielen bei der „Konstruktion“ von Zwickmühlen eine wichtige Rolle.

Persönliche Zwickmühlen können das Selbstwert eines Menschen arg ankratzen und in einen Teufelskreis münden, aus dem nur schwer herauszukommen ist, wenn nicht die zugrundeliegenden Zusammenhänge geklärt werden.

Ein Umherirren zwischen Abstrampeln, Aufgeben, Verzweiflung, Leugnen und letztlich Weiterkämpfen ist häufig die Folge.

Ausblick

In diesem ersten Teil ging es (noch) nicht um konkrete Lösungen, sondern in erster Linie um das Sensibilisieren und Öffnen für das Lösungsbewusstsein.

Im zweiten Teil liegt der Fokus auf den verschiedenen Möglichkeiten im Umgang mit persönlichen Zwickmühlen. Und im abschließenden dritten Teil präsentiere ich meinen „ressourcenorientierten Selbstversuch“ der Bearbeitung meiner eigenen Zwickmühlen-Konstellation.

Und vielleicht bist du bereits neugierig darauf oder fühlst dich direkt angesprochen, dich wohlwollend deinen eigenen Zwickmühlen-Mustern zu widmen. Denn Zwickmühlen sind zutiefst menschlich und schon der erste Schritt des selbstfürsorglichen Hinsehens kann bereits befreiend wirken.

„So freue ich mich, wenn du Lust verspürst, dich weiter auf die Reise der Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung zu begeben und eventuell mag dich mein eigenes Beispiel dabei inspirieren.“

 

Herzlichst,

Sven Lehmkuhl

Quellenangaben

Literatur

Robert Dilts: Die Veränderung von Glaubenssystemen: NLP-Glaubensarbeit.

Bernd Schmid: Zwickmühlen oder: Wege aus dem Dilemma-Zirkel.

Jürgen Weist: Persönliche Zwickmühlen – Und wie man sie löst.

Ulrich Dehner, Renate Dehner: Transaktionsanalyse im Coaching.

Bildnachweise

Titelbild: Bild von ChadoNihi auf Pixabay